Bundesamt warnt Balkanflüchtlinge

von Robert Braumann


Mit dieser Anzeige warnt das BAMF auf Facebook. Screenshot: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Mit dieser Anzeige warnt das BAMF auf Facebook. Screenshot: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge



Braunschweig. Die Landesaufnahmebehörde in Braunschweig ist überfüllt und auch in anderen Einrichtungen sieht es kaum besser aus. Eine Reaktion, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) warnt über Facebook potenzielle Asylbewerber vor einer Flucht nach Deutschland. Seit Dienstag schaltet das BAMF Anzeigen, die eine Woche lang bei Nutzern in Albanien und Serbien erscheinen – in den jeweiligen Landessprachen. Das ruft auch Kritik hervor.

Folgender Text wird in Albanisch und Serbisch angezeigt: "Der Chef der Flüchtlingsbehörde in Deutschland, Manfred Schmidt, erklärt: 'Antragstellende aus den Ländern Serbien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Albanien, Mazedonien und Montenegro haben fast keine Aussicht auf Asyl in Deutschland. 99,8 Prozent der Asylanträge aus diesen Ländern werden vom Bundesamt abgelehnt.' Schmidt sagt, dass Deutschland abgelehnte Flüchtlinge vom Balkan deutlich schneller als bislang zurückführen will. Außerdem wird Deutschland von nun an für abgelehnte Asylsuchende Wiedereinreisesperren für die ganze EU und Aufenthaltsverbote verhängen können. In Deutschland wird zudem darüber diskutiert, Flüchtlingen vom Balkan deutlich weniger Bargeld auszuzahlen als bislang.

Wenige Chancen


Im ersten Halbjahr 2015 zählte das Bundesamt rund 80.000 Asylanträge aus dem Westbalkan. Sehr viele Menschen aus diesen Ländern kämen mit falschen Erwartungen nach Deutschland und stellten aussichtslose Asylanträge. Die Schutzquote für Anträge vom Westbalkan liegt bei unter einem Prozent. Daher gehöre es zu den Zielen des Bundesamtes, die Menschen direkt im Herkunftsland zu informieren. Im ersten Halbjahr 2015 zählte das Bundesamt laut Mitteilung rund 80 000 Asylanträge aus dem Westbalkan. Nach aktuellen Prognosen werden die Flüchtlingszahlen wohl noch weiter steigen. Das Bundesamt hat auch ein Video zu dem Thema veröffentlicht.

https://www.youtube.com/watch?v=4yibT9piM2o

Aufklärung und Hilfe nötig


Der Vorstandsvorsitzende des AWO-Bezirksverbandes Braunschweig Rifat Fersahoglu-Weber nahm auf Anfrage von RegionalBraunschweig.de wie folgt Stellung zu der Maßnahme : "Es ist unsere moralische und humanitäre Pflicht Menschen, die auf der Flucht sind, zu helfen. Diese Pflicht ist nicht verhandelbar. Die Erfahrungen zeigen, dass Asylanträge von Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern im Regelfall abgelehnt werden. Hier ist es wichtig, dass in diesen Ländern vor Ort Aufklärung betrieben wird und dass dort direkt Hilfe geleistet wird, um Leid und Armut entgegenzuwirken."



Deutliche Kritik


Dr. Dr. Wolfgang Büchs, BiBS ist der Meinung: "Die Abschreckungsmaßnahmen der BAMF durch "Rückführungsvideos" und warnende Plakate wirken hilflos und peinlich. Ursache für den finalen wirtschaftlichen Ruin verzweifelter Familien aus dem Balkan sind letztlich eher nicht Schlepperbanden (wozu? Es besteht Reisefreiheit, es gibt Busse nach Deutschland), sondern von der BAMF hartnäckig eingetriebene Abschiebekosten. Die Stigmatisierung von Flüchtlingen aus dem Balkan als "Wirtschaftsflüchtlinge" muss ein Ende haben. Die meisten Balkanländer sind für viele kein sicheres Drittland (zum Beispiel für Roma generell sowie für Serben, Albaner, Muslime dort, wo sie die Minderheit bilden), sondern sie werden schikaniert und es gibt zum Teil lebensbedrohliche Konflikte. Aber auch Armut und wirtschaftliche Not ist ein Fluchtgrund, der eng verbunden ist mit der globalisierten Wirtschaft und Einnahmen aus Geschäften unserer Rüstungsindustrie als wesentliche Gründe für unseren hohen Lebensstandard. Dies verpflichtet uns zu helfen. Hauptursache für die Armut und wirtschaftliche Misere in den Balkanländern sind Nachwirkungen des Balkankrieges in den 90er Jahren, für den die EU und damit auch Deutschland sich einer Mitverantwortung nicht entziehen können. Daher muss von den EU-Staaten erheblich mehr Geld in die Hand genommen werden, um in den EU-Anrainerstatten des westlichen Balkans eine wirtschaftliche Infrastruktur aufbauen zu können, die den Bewohnern eine Perspektive gibt."


Jens-Wolfhard Schicke-Uffmann, Piraten, sagte: "Dass Deutschland organisatorisch nicht in der Lage sein will, Flüchtlinge aufzunehmen, ist außerordentlich peinlich. Unter diesen Umständen ist es aber richtig, in den Herkunftsländern auf die Probleme aufmerksam zu machen - wer fliehen muss, wird trotzdem kommen. Vorurteile werden viel eher dadurch verstärkt, dass in Deutschland überfüllte Asylbewerberlager zur Realität gehören und dadurch auch in den Fokus rücken. Die rechte "Das Boot ist voll"-Rethorik wäre weniger glaubwürdig, wenn für die Unterbringung, Betreuung und Integration von Asylbewerbern und Asylanten auch nur halbwegs ausreichend Infrastruktur geschaffen werden würde."


Die weiteren Ratsfraktionen haben Anfragen zu dem Thema erhalten, sich aber bisher nicht geäußert. Sollten sie dies nachholen, werden wir den Bericht aktualisieren.


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