Einkauf in Kralenriede – Ein Erfahrungsbericht

von Sina Rühland


| Foto: Sina Rühland



Braunschweig. Der Braunschweiger Ortsteil Kralenriede sieht sich mit dem Sitz der Landesaufnahmebehörde täglich neuen Herausforderungen gegenüberstehen. Grund genug für die regionalBraunschweig.de-Redaktion, um mal ein paar Stunden vor Ort zu verbringen.

Es ist zirka 12 Uhr am Donnerstagmittag. Die Polizei Braunschweig hat ihr wöchentliches Info-Mobil auf dem Parkplatz des Einkaufsareals an der Bienroder Straße/Ecke Steinriedendamm eingerichtet – die Beamten stehen regelmäßig für Fragen und Nöte der Kralenrieder bereit. Seit die Zahl der Bewohner der nahen Landesaufnahmebehörde gestiegen ist, scheinen sich die Ängste der Anwohner potenziert zu haben. Warum der Bedarf nach Sicherheit gerade jetzt so groß ist, erklärt der Kontaktbeamte Stefan Fränkel: „Die Bewohner leben hier schon lange mit der LAB, nur lebten dort früher weniger Menschen.“ Jede Woche sieht sich der Polizist zwischen den Bewohnern, hört zu, berät und versucht zu vermitteln. Zurzeit fände man in Kralenriede eine Situation vor, die man nicht so einfach lösen könne. „Viele Menschen erzählen mir, dass sie Angst haben. Angst vor Einbrüchen, Überfällen und gelegentlich schon vor dem bloßen Kontakt mit den LAB-Bewohnern“, berichtet er.

Vorurteile, stille Post und Fakten


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Kontaktbeamter Stefan Fränkel. Foto: Sina Rühland



So sehr auch Polizei, Verbände und Initiativen versuchen Brücken zu schlagen und für Verständnis zu plädieren, eine Lösung scheint nicht in Sicht. Während wir sprechen, gesellt sich ein Anwohner hinzu. Er erzählt von verängstigten Frauen, die sich nicht mehr trauen würden, mit dem Bus zu fahren. Er erzählt von „Afrikanern, die plötzlich aus dem Busch gesprungen sind und Anwohner überfallen haben“. Als ich ihn frage, warum die Frauen denn Angst hätten, sagt er, dass sie nicht mehr von Flüchtlingen angesprochen werden möchten, sie fühlten sich "der Begierde ausgesetzt". Den zweiten Bericht des Passanten dementiert Stefan Fränkel und ich bin froh darüber, denn zu dieser Aussage fällt mir keine souverän formulierte Frage mehr ein. „Diese Geschichte kann ich nicht bestätigen. Soweit wir wissen, ist es hier zu keinem Übergriff auf die Bürger gekommen.“ Fränkel erklärt, wie es manchmal zu solchen Behauptungen komme: „Es läuft hier viel über Mund-zu-Mund-Erzählung. Im Laufe eines Tages verändern sich dann so einige Fakten. Herauskommen dann solche Geschichten.“ Trotz dessen nehme die Polizei Ängste und Ärger der Bewohner ernst. „Es läuft in Kralenriede einiges anders, deshalb sind wir ja vor Ort. In Höhe der Bushaltestelle treffen hier verschiedene Kulturen aufeinander – da potenziert sich die Situation“, erklärt Fränkel. Der Polizeibeamte will nichts beschönigen, aber auch nichts aufbauschen. Der Alkoholkonsum der LAB-Bewohner und die damit verbundenen Aggressionen seien ebenso ein Problem, wie der Unwille einiger Kralenrieder mit den Flüchtlingen in direkten Kontakt zu treten und sich selbst bestimmter Situation anzunehmen.

Einkaufen in Kralenriede


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Das Einkaufsareal in Kralenriede. Foto: Sina Rühland



Nachdem ich eine ganze Weile auf dem Zaun vor einem der Einkaufsmärkte gesessen habe, stelle ich fest, dass hier nicht sonderlich viel los ist. Der Parkplatz ist um diese Zeit vor dem Geschäft fast leer. Was auffällt, sind die Menschen vieler verschiedener Kulturkreise. Afrikaner, Syrer und Menschen aus den Westbalkan-Staaten. Ein kleines Mädchen versucht sich an der überdimensional wirkenden Einkaufstasche der Mama. Einige Männer gehen nur mit Schlappen an den Füßen bekleidet an mir vorbei. Ich frage mich, ob sie die wohl schon bei ihrer Fahrt über das Meer getragen haben.

Nachdem mich zwei Männer in gebrochenem Englisch gefragt haben, wie es mir geht und wo sie hier wohl eine SIM-Card kaufen könnten, suche ich einen Euro, hole mir einen Einkaufswagen und gehe in den Markt. Der Laden ist noch recht neu, alles wirkt sauber und sortiert. Schnell fällt mir auf, dass hier fast ausschließlich männliche Mitarbeiter zugange sind – einige Tage zuvor hat mir der Geschäftsführer erzählt, dass das auch so beabsichtigt sei. Zudem hat das Geschäft zwei Wachmänner beauftragt, für die Sicherheit von Kunden und Mitarbeitern zu sorgen. Wie mir eine Kollegin berichtet hat, sei ihr der Wachmann positiv aufgefallen. Er hätte mehrere Sprachen gesprochen und wirkte wie ein Sozialarbeiter.

Als ich vor einem Regal stehe und nach den Tofu-Würstchen suche, höre ich eine laute Diskussion. Ich muss lachen – wenn ich auch nicht verstehe, worüber die Herren neben mir da gerade diskutieren, lässt sich doch erahnen, dass sie gerade versuchen herauszufinden, welches Brot das richtige sein könnte. Als sie sich geeinigt haben, gehen sie an mir vorbei, nicken und sagen „danke“. Zwar weiß ich nicht, wofür sich der junge Mann bedankt, aber ich nehme es erfreut zur Kenntnis und nicke zurück. Als ich einige Minuten später an der Kasse stehe, bekomme ich das Getuschel zweier Frauen mit. Vor den beiden stehen zwei Afrikaner. Die Worte, die ich von den Damen mitbekomme, hätte ich doch lieber nicht gehört.


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