KolumneHeute: Die Sache mit den guten Vorsätzen

von Sina Rühland


| Foto: Max Förster



Gesünderes Essen, mehr Sport, mit dem Rauchen aufhören: gegen Ende eines Jahres nehmen sich viele von uns vor, in den kommenden 365 Tagen alles anders, alles besser zu machen. Meist sind die guten Vorsätze wenige Tage nach Jahresbeginn schon wieder vergessen – der Alltag hat einen eingeholt. Warum halten viele also an der Idee des geplanten Neuanfangs fest? Eine Kolumne aus dem Archiv:

Das Jahr nähert sich dem Ende, der Weihnachtstrubel hat auch mich fest im Griff. Geschenke für die Familie kaufen, auf den letzen Drücker einen Baum besorgen, die Wohnung saubermachen, Großeinkauf erledigen – die Geschäfte öffnen schließlich nie wieder. "2015 mache ich das anders, denke ich mir. Ich kaufe die Geschenke einfach schon über das Jahr verteilt und den Großeinkauf muss man ja auch nicht zwingend an Heiligabend erledigen." Guter Vorsatz. Während ich mir darüber Gedanken mache, wie ich die Weihnachts-Logistik verbessern könnte, fällt mir auf, dass ich nebenher eine ganze Tüte Marzipan-Kugeln verdrückt habe. "Nächstes Jahr gehe ich einfach an den Regalen vorbei." Wo wir gerade bei den Kalorienbomben sind: etwas mehr körperliche Ertüchtigung würde vielleicht dazu führen, dass 2015 der alte Badeanzug wieder passt. Guter Vorsatz.

Einige Tage später, kurz nach dem Neujahrstag: Im Kühlschrank steht noch der Rest von dem Mousse au Chocolat. Keiner ist zuhause und wegschmeißen geht auch nicht. Wie war das mit dem guten Vorsatz? "Egal. Die wird ja sonst schlecht. Ich dreh nachher einfach ne Runde durch den Park." Nachdem die Schale leer ist, ärgere ich mich. Ein bisschen Willenskraft dürfte doch drin sein. Warum immer das gleiche Spiel zum Jahreswechsel? Wir fassen Vorsätze, wie wir unser Leben im kommenden Jahr gestalten wollen. Weniger Stress, mehr Zeit für die Familie, ein Sparbuch für Notfälle anlegen, weniger naschen. Jeden Dezember überdenke ich die vergangenen Monate und nehme mir fest vor, die Verhaltensweisen zu ändern, die mich unglaublich an mir nerven. Das neue Jahr ist dafür ein guter Anlass: Neues Jahr, neues Ich. "Neues Ich? Ich will gar kein neues Ich."

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Die Autorin: RegionalHeute.de-Redakteurin Sina Rühland. Foto:



Ich denke darüber nach, was diese „guten Vorsätze“ eigentlich über mich aussagen. Permanente Selbstoptimierung und Selbstzweifel? Das finde ich nicht gut. Ich esse liebend gerne Mousse au Chocolat und die Laufschuhe sehen auch hübsch im Schrank aus. Wenn ich am Heiligabend noch die letzten Einkäufe erledige, dann können sich die Damen hinter mir an der Kasse wenigstens darüber unterhalten, dass sie überhaupt nicht verstehen könnten, warum die Leute „jeeetzt“ noch Weihnachtsgeschenke kaufen. Guter Vorsatz für 2016: Keine Vorsätze mehr fassen! Unsere Umwelt suggeriert uns permanent, dass wir erst dann glücklich sein können, wenn wir nahe der Perfektion sind. Wir geben uns dieser fantastischen, generalüberholten Vision von unserem Selbst hin und versuchen einen Neuanfang zu starten. Eine passende Gelegenheit bietet hier der Jahreswechsel. Die Natur macht es schließlich ähnlich: im Herbst fallen die alten Blätter ab und im Frühjahr erblühen sie neu. Möglicherweise geht es gar nicht darum, dass ich nicht mehr ich sein darf, sondern, dass die alten Blätter abgeworfen werden. Manchmal bedarf es einfach guten Vorsätzen, um seinen Lebenskurs zu überdenken. Wie die alten Blätter letztendlich fallen, entscheidet ja doch meist die Windrichtung.


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