Sterbekultur gehört zur Lebenskultur


Ulrich Kreutzberg gab einen Überblick über das derzeitige palliative Versorgungsnetzwerk in Braunschweig. Im Hintergrund Ulrich Zerreßen. Fotos: Katharina Heinemeier
Ulrich Kreutzberg gab einen Überblick über das derzeitige palliative Versorgungsnetzwerk in Braunschweig. Im Hintergrund Ulrich Zerreßen. Fotos: Katharina Heinemeier | Foto: Katharina Heinemeier



Braunschweig. Am 10. September fand die Veranstaltung zum Thema "Unterstützung von schwerkranken Menschen – Wie kann eine palliative Versorgung in Braunschweig aussehen?" im Senioren- und Pflegezentrum Bethanien des Marienstiftes statt. Hier wurde aufgezeigt, dass bei Bedarf jeder die Möglichkeit einer palliativen Versorgung am Lebensende erhalten könne, wenn die Gesellschaft in ihrer Lebenskultur auch eine Sterbekultur zuließe und mitgestalte. Katharina Heinemeier, Zuständige für die Unternehmenskommunikation des Seniorenzentrums berichtet über die Veranstaltung.

Ulrich Kreutzberg, Koordinator und Geschäftsführer Hospizarbeit Braunschweig e.V., gab zu Beginn der Veranstaltung einen Überblick über das derzeitige palliative Versorgungsnetzwerk in Braunschweig. Dies sei zwar schon groß, aber weise noch Lücken auf. Eine der großen Versorgungslücken sei dem Personalschlüssel in diesem Bereich geschuldet, so Kreutzberg. Menschen, die Angehörige haben, die sich kümmern, seien häufig besser versorgt. Zudem bedeute eine Versorgung schwerstkranker Menschen nicht nur Schmerzen zu lindern. Auch eine seelsorgerliche Begleitung und spirituelle Fragen am Lebensende seien wichtig für die kranken Menschen und deren Angehörige. Kreutzberg ist zudem der Meinung, dass eine palliative Versorgung nicht nach dem Sterben aufhöre, sondern sich eine Trauerbegleitung der Angehörigen anschließe. Für ihn stellen sich die Fragen: Was ist medizinisch und pflegerisch zu leisten? Und wo können und müssen wir uns als Gesellschaft engagieren? Wie können wir Fachliches mit Bürgerengagement verbinden?

Sterbekultur gehört zur Lebenskultur


Dr. Rainer Prönneke, Chefarzt der Medizinischen Klinik im Krankenhaus Marienstift und Palliativmediziner, informierte, dass bisher fünf Prozent der schwerstkranken Menschen in einem Hospiz oder auf einer Palliativstation sterben. Was aber sei mit den anderen 95 Prozent? Diese sterben in Pflegeheimen, Krankenhäusern oder in der häuslichen Umgebung. Hier müsse man ansetzen und die palliative Versorgung in den Bereichen weiter ausbauen. Es sei für schwerkranke Menschen wichtig, so Prönneke, wenn sie schon frühzeitig eine Linderung der Schmerzen erhalten, beispielsweise nach der Diagnose einer Tumorerkrankung mit Streuherden. Von jedem einzelnen in unserer Gesellschaft hänge es ab, wie wir die Sterbekultur beeinflussen, sie gehöre zur Lebenskultur. Ein Vorantreiben des palliativen Netzwerkausbaus stütze sich auf drei Säulen, so Prönneke: Erstens müsse die Politik regelmäßig mit am runden Tisch des Netzwerks sitzen und den Ausbau der palliativen Versorgung als eine Aufgabe übernehmen. Zweitens, so seine Idee, müsse jedes Pflegeheim in Braunschweig einen Koordinator für palliative Pflege stellen. Diese Koordinatoren, so seine Vorstellung, tauschen sich aus und erarbeiten miteinander einen Standard in der palliativen Pflege für Senioreneinrichtungen, den es bisher so nicht gibt. Und zu guter Letzt, so der Mediziner, solle der Wunsch nach palliativer Versorgung fest in der Patientenverfügung verankert werden.

Politik müsse passende Rahmenbedingungen schaffen


Ulrich Zerreßen, Geschäftsführer und Einrichtungsleiter des Senioren- und Pflegezentrums Bethanien des Marienstiftes, bestätigte die Aussagen seiner Vorredner. Die palliative Versorgung schwerkranker und älterer Menschen sei ein gesellschaftspolitisches Thema. Dieser Herausforderung müssen sich alle stellen, aber die passenden Rahmenbedingungen dafür müssen von der Politik geschaffen werden: „Wenn man nehmen will, muss man auch geben: Die Pflege muss entsprechend finanziert werden. Die Pflegekräfte arbeiten momentan am Limit und darüber hinaus.“ Die Erfahrungen zeigen, dass es eine „Warteschleife“ für die Versorgung in einem Hospiz, auf einer Palliativstation, durch ein SAPV-Team oder durch ambulante Hospizdienste gibt. Hier müsse die Politik unbedingt etwas tun, um Voraussetzungen zu schaffen, auf denen man aufbauen kann. Nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels sei die Erhöhung palliativer Plätze in Senioreneinrichtungen und die Versorgung dieser unumgänglich.


mehr News aus Braunschweig