Trotzdem Trillerpfeife: Hörgeschädigte Schüler messen sich im Bundesturnier

von Christina Balder




Braunschweig. "Super, Madita! Toll gemacht! ...Ach, hört sie ja nicht." Manchmal ist Markus Keil so im Anfeuerungsfieber, dass er vergisst, mit wem er es zu tun hat. Er coacht das Fußballteam des Landesbildungszentrums für Hörgeschädigte (LBZH) Braunschweig - und nicht alle der Spieler hören und verstehen, was er da auf das Spielfeld ruft. Trotzdem funktioniert das Spiel - wie alle anderen beim zweiten bundesweiten Fußballturnier der Bildungseinrichtungen für Hörgeschädigte, das am Freitag in der Kickoff Soccerarena ausgetragen wird. 120 Kinder, zwölf Mannschaften aus acht Bundesländern, kämpfen an diesem Tag um den großen Wanderpokal. Das Turnier, im vergangenen Jahr vom LBZH Braunschweig ins Leben gerufen, ist das erste seiner Art.

[image=17622]Es ist laut in der Halle, die Trainer schreien, loben, die Trillerpfeifen der Schiedsrichter schrillen. Einige der Spieler können Geräusche wahrnehmen, andere mit technischer Hilfe auch verstehen, was ihre Trainer rufen. Madita hört gar nichts, ebenso wie ihre Teamkollegin Clarissa. Die 15-Jährige, sozusagen der Star der Braunschweiger Mannschaft, kann bei diesem Turnier nicht mit dabei sein: Sie nimmt gerade an einem Lehrgang der Gehörlosen-Nationalmannschaft der Frauen teil. "Sie liefert Tore und behauptet sich in einer Jungenmannschaft, das ist phänomenal", sagt Dr. Hajo Frerichs, der Direktor des LBZH. Und auch den Vergleich mit hörenden Spielern müssen die Kinder nicht scheuen. "In einem Turnier gegen hörende Vereinsmannschaften hat unsere Mannschaft  sich super behauptet", erzählt Frerichs.

Wer nicht oder nur wenig hören kann, muss sich auf das Auge verlassen. Permanent scannen die Spieler ihr Umfeld ab, müssen schauen, wo er Ball, wo der Gegner ist, wo ihre Mitspieler sind und was Trainer und Schiedsrichter tun. Langsamer ist ihr Spiel dadurch nicht. Sie haben sich auf die visuelle Wahrnehmung spezialisiert, reagieren und schießen genauso schnell wie jemand, der die Rufe der Mitspieler hören kann. Die Braunschweiger machen möglichst viel mit Hörenden gemeinsam.

Trotzdem bleiben bei diesem Turnier die Hörgeschädigten unter sich. Denn bei aller Inklusionswilligkeit: das Konzept hat Grenzen. "Man muss auch mal mit Menschen Umgang haben, die ähnliche Probleme haben", sagt Frerichs. Inklusion im Schulbereich sei ohnehin nur sinnvoll, wenn ein Kind das wünsche. "Wer nicht kommunizieren kann, wird ausgegrenzt - und nicht inkludiert."

Die niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Claudia Rundt, ist die Schirmherrin des Turniers und eröffnete es bereits am Mittwoch mit einem Grußwort.


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