Über Findelkinder und vertrauliche Geburten

von Jonas Walter


Babykörbchen am Marienstift. Foto: Robert Braumann
Babykörbchen am Marienstift. Foto: Robert Braumann | Foto: Robert Braumann

Region. Aus dem tragischen Anlass der zuletzt in einer Kühltruhe in Sachsen-Anhalt aufgefundenen Babyleichen haben wir uns bei den Kliniken in unserem Berichterstattungsgebiet darüber informiert, welche Möglichkeiten es für Mütter in der Region gibt, ihr Kind in problematischen Fällen abzugeben. Über Babykörbchen und vertrauliche Geburten.


Was denken Sie? Wie viele Babyklappen gibt es in Niedersachsen? Es sind fünf an der Zahl. Sie befinden sich in Bremen, Hannover, Nordhorn, Osnabrück und Braunschweig. Nur Letztgenannte fällt also in unser Berichterstattungsgebiet. Viel ist das nicht. Doch wieso gibt es so wenige Vorrichtungen, um sogenannte Findelkinder anonym abzugeben? Und welche Alternativen haben Mütter, die sich, aus welchen Gründen es auch sein mag, nach der Geburt nicht um ihr Kind kümmern können oder möchten?

Extrem kontroverse Diskussionen


regionaHeute.de hat bei den Kliniken nachgefragt und interessante Antworten bekommen. "Insgesamt werden Babyklappen und die anonyme Geburt extrem kontrovers diskutiert", berichtet Ralf Nehmzow, Pressesprecher der Asklepios Harzkliniken. "Beim Thema Babyklappe folgen wir daher der Empfehlung des Deutschen Ethikrates, der sich 2009 in einer Stellungnahme klar gegen Angebote anonymer Kindesabgaben ausgesprochen hat, unter anderem, da sie „das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft und auf Beziehung zu seinen Eltern verletzen“.

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Asklepios Harzklinik Goslar. Foto: Asklepios Harzkliniken



Stattdessen forderte der Ethikrat vielmehr, dass bestehende Hilfsangebote für Schwangere und Mütter in Notsituationen zugänglicher gemacht und insgesamt verbessert werden sollten.", weiß er zu ergänzen.

Anonyme und vertrauliche Geburt: Der Unterschied


In Fällen der anonymen Geburt werden überhaupt keine Daten der Mutter erfasst. Das ist, wie eben bereits deutlich gemacht wurde, ein großes Problem im Kontext des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung in Deutschland. Die anonyme Geburt stelle den Umstand dar, dass die Mutter im Krankenhaus plötzlich erscheint, ihr Kind bekommt und ohne Angabe von Daten anschließend wieder geht, berichtet Dr. med. Hans-Jürgen Richter, Chefarzt der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe in der Helios St. Marienberg Klinik Helmstedt.

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Helios St. Marienberg Klinik Helmstedt. Foto: Helios Klinik Helmstedt



Deshalb gibt es zudem noch die sogenannte vertrauliche Geburt, welche hierzulande seit 2014 gesetzlich geregelt ist. Dabei vertraut sich die Mutter einmalig zum Beispiel einer Beratungsstelle an, wo die Daten vertraulich, unter Verschluss, mindestens 16 Jahre lang verwahrt werden. "Danach besteht die Möglichkeit, dass das Kind die Identität der Mutter und damit seine Herkunft erfahren kann.", erklärt Rainer Keunecke von der Stadt Braunschweig.

Jedoch werden diese Methoden selten bis gar nicht genutzt. Zumindest zeigen das die Zahlen der vergangenen drei Jahre:
Vertrauliche Geburten in der Stadt Peine 2015-2017: 0
Vertrauliche Geburten in der Stadt Salzgitter 2015-2017: 0
Vertrauliche Geburten in der Stadt Goslar 2015-2017: 0
Vertrauliche Geburten in der Stadt Wolfsburg 2015-2017: 1
Vertrauliche Geburten in der Stadt Helmstedt 2015-2017: Keine Auskunft, es habe jedoch laut Klinikum vertrauliche Geburten gegeben.
Vertrauliche Geburten in der Stadt Gifhorn 2015-2017:Keine Auskunft, es gebe laut Klinikum sehr selten vertrauliche Geburten.
Vertrauliche Geburten in der Stadt Wolfenbüttel 2015-2017: 1

Vertrauliche und anonyme Geburten sowie Kinder im Babykörbchen im Marienstift Braunschweig:
2015: ein Kind im Babykörbchen, keine anonyme Geburt, drei vertrauliche Geburten
2016: ein Kind im Babykörbchen, eine anonyme Geburt, keine vertrauliche Geburt
2017: ein Kind im Babykörbchen, keine anonyme Geburt, zwei vertrauliche Geburten

Auch im Klinikum Celler Straße in Braunschweig hat es seit 2014 vier Fälle von anonymen beziehungsweise vertraulichen Geburten gegeben.

Woran die seltene Nutzung liegt, kann laut Aussagen der Kliniken momentan nur schwer gesagt werden. Eine Option wäre die fehlende Kenntnis und Zugänglichkeit zu möglichen Vorgehensweisen, wie es der Ethikrat bereits angedeutet hat.


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